Josef
Jochum
(*16.12.1930 +15.04.2017)
Abschied von Josef Jochum
Wir sind
zutiefst betroffen von der Nachricht über das Ableben des
Schauspielers Josef Jochum, ehemaliges langjähriges Mitglied des
Ensembles des Deutschen Staatstheaters Temeswar (DSTT).
Der in 1930 in Knes im Banat geborene Jochum hat von 1941 bis 1944
in Temeswar das Realgymnasium besucht. 1952 trat er erstmals als
Gesangssolist auf, 1954 wurde er Mitglied des DSTT-Kollektivs, wo er
über 150 Rollen spielte und bei 16 Inszenierungen die Spielleitung
übernahm. Er spielte u.a. in Narrenbrot von Hans Kehrer, Das Mädel
aus der Vorstadt von Nestroy, Die schöne Helena von Peter Hacks, Die
Kassette von Carl Sternheim, Lob der Torheit von Du-mitru
Solomon, Der Tod eines Künstlers von Horia Lovinescu, Die
Räuber und Maria Stuart von Schiller, Egmont von Goethe, Der
Geizige von Molière.
Er übernahm die Spielleitung unterschiedlicher Produktionen,
hauptsächlich bei Lustspielen und bei äußerst beliebten bunten
Abenden, so z.B. bei Lachen ist gesund, Tatort Fuchsberg, In
Fuchsberg is de Teiwl los, Melodien unterm Tannenbaum, 1000
Melodien, für einige Abende verfasste er auch die Texte.
Jochums Schaffen, oft auch von Musik begleitet und einschließlich
der schwäbischen Mundart treu, war beim DSTT-Publikum sehr beliebt,
umso mehr, als gegen Ende seines hiesigen Wirkens die banatdeutsche
Minderheit sich in einer immer schwierigeren Lage befand.
Josef Jochum zog 1990 nach Bayern.
Am 2. Mai 2017 wurde er in Wilhermsdorf bei Nürnberg beigesetzt. Das
DSTT spricht den trauernden Hinterbliebenen seine aufrichtige
Anteilnahme aus.
Erschienen auf
der HP - DSTT - Nachrichten am 04.05.2017
_________________________________________________________________________________________________________________________
Zum Ableben des in Knees geborenen Schauspielers und
Regisseurs Josef Jochum
In Temeswar in über 150 Rollen aufgetreten
Als
Schauspieler und Musiker, als Regisseur, Autor und Komponist prägte
er 35 Jahre lang die Geschicke des Deutschen Staatstheaters Temeswar,
dem er vor allem in den 180er Jahren kaum zu überschätzende Dienste
leistete - nun ist Josef Jochum am 15. April im Alter von 86 Jahren
in Wilhermsdorf in Bayern gestorben.
Geboren wurde er am 16. Dezember 1930 in Knees. Jochum wuchs in
einer Zeit auf, die gezeichnet war von den Wirren und Entbehrungen
des Zweiten Weltkriegs und der unmittelbaren Nachkriegszeit. Schon
früh verlor er gewaltsam seinen Vater, was ihn Zeit seines Lebens
nicht mehr losgelassen hat. Nach der Grundschule in seinem Heimatort
besuchte er ab 1941 das Realgymnasium in Temeswar (ab 1942
Lenau¬Schule) bis zu dessen Auflösung nach dem Front- und
Regimewechsel Rumäniens im Sommer 1944. Unter den neuen
Gegebenheiten entschied er sich zum Besuch der Technischen
Fachschule in Reschitza, wo er, das Handwerk eines Modelltischlers
erlernte. Bis zum Militärdienst arbeitete er dann in dem Betrieb „Tehnolemn"
in Temeswar.
Mit 22 Jahren trat Jochum, der schon früh in den Genuss einer
soliden musikalischen Ausbildung gekommen war, zum ersten Mal als
Gesangssolist auf. Seine künstlerische Begabung konnte er während
des Militärdienstes in Bukarest ausleben. Jochum entdeckte seine
Liebe für die Bühne und erhielt seine große Chance 1954, als das
Temeswarer Deutsche Staatstheater einen Schauspielerwettbewerb
ausschrieb. Er setzte sich gegen mehr als 100 Konkurrenten durch und
kam unter die besten drei. Damit sicherte er sich eine der begehrten
Stellen an der deutschen Bühne in Temeswar. Diese betrat er erstmals
- nachdem er seine schauspielerischen Fähigkeiten perfektioniert
hatte - als Figurant in Schillers „Kabale und Liebe" (1955). Seine
erste große Rolle war 1957 die des Erzählers in dem Märchenspiel
„Die Schneekönigin" vonJewgenij Schwarz.
Als Schauspieler war Jochum vielseitig einsetzbar. Er trat als
Charakterdarsteller ebenso auf wie in Lustspielen, in
banatschwäbischen Stücken oder bei den Showabenden des Theaters. Und
er hat auch zu den schwierig zu vermittelnden rumänischen Stücken
und zu den Bühnenwerken Banater deutscher Autoren sein Scherflein
beigetragen. Insgesamt trat Josef Jochum in über 150 Rollen am
Deutschen Staatstheater auf. In den klassischen Stücken wartete er
mit gut gestalteten, prägnanten Charakterrollen auf. Er spielte
unter anderem in Molières „Der Geizige" (1958), in Schillers „Die
Räuber" (1960) und „Maria Stuart" (1965), in Goethes „Egmont"
(1963), in Hauptmanns „Der Biberpelz" (1971), in Nestroys „Das Mädl
aus der Vorstadt" (1974), in Kehrers „Narrenbrot" (1974), in
Lessings „Minna von Barnhelm" (1975), in „Der Tod eines Künstlers"
von Horia Lovinescu (1975), in „Die schöne Helena" von Peter Hacks
(1977) oder in „Lob der Torheit" von Dumitru Solomon (1983).
Dank seines schauspielerischen Talents, seiner Mobilität und
Flexibilität, seiner Freude am Improvisieren ist es Josef Jochum
gelungen, in vielen Rollen - in kleineren wie in großen -
Höchstleistung zu bringen. Das wusste auch die Theaterkritik zu
würdigen. Emmerich Reichrath schrieb beispielsweise über Jochums
Leistung in Carl Sternheims Komödie „Die Kassette" (1978): „Für
Josef Jochum bedeutet die Rolle des Krull, an der sich in der
Hauptsache das Paradigma des Stückes vollzieht, einen wahren
Marathon durch immer wechselnde Situationen, vom sinnenbetörenden
Geck über den unterwürfigen Erbschleicher bis zum selbstherrlichen
(vermeintlichen) Kapitalbesitzer, der in unübertrefflicher
Oberlehrermanier von Aktien und Tantiemen mit ähnlichen Phrasen
schwärmt wie von Goethe und dem Rhein und der sich in seiner
Verblendung zu dem Wunschtraum versteigt, ‚Menschen zu meiner
Wollust auszubeuten'. Jochum ist ganz auf der Höhe der Rolle, die
ihm in kontrast- und spannungsreichen Dialogszenen und mehreren
großen Monologen reichlich Gelegenheit gibt zur Entfaltung seines
vielseitigen Könnens."
In 16 Inszenierungen führte Josef Jochum Regie. Den größten Erfolg
verzeichneten die Unterhaltungsprogramme und seine eigenen
„Volksstücke", in denen er sich als Darsteller und Musiker besonders
wohlfühlte. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich die musikalischen
Vorstellungen, bei denen er Regie führte. „1000 Melodien, ein
Wunschkonzert für Jung und Alt" (1980) lockte rund 20000 Zuschauer
ins Theater. Damit begann eine Erfolgsserie, die sich mit den
Programmen „Mitgesungen - mitgelacht" (1982), „E Schwowestick mit
Blechmusik" (1982) und „Melodien unter Tannenbaum" (1983-1985 und
1987) fortsetzte. Jochums Erstling „Es war einmal..." (1983) brachte
es auf nur 19 Aufführungen, aber es folgte ein Renner nach dem
anderen: „In Wiesetal is Karneval" (1984) wurde 70 Mal präsentiert,
„In Fuchsberg is de Teiwl los" (1985) 78 Mal, „Buwe juxt, die Motter
heirat" brachte es auf 64 Aufführungen, „Tatort Fuchsberg" (1987)
war 67 Mal zu sehen und „Die Schenke zur blonden Christine" (1988)
56 Mal.
Jochums eigene Stücke waren volkstümlich-komödiantisch angelegt und
unterhielten mit viel Musik. Es lag in seiner Absicht, schwäbische
Charaktere zu zeichnen und eine einfache, überschaubare Handlung
rund um ein wichtiges Ereignis im Jahreslauf bzw. um einen
volkstümlichen Brauch aufzubauen, sozusagen als Vorwand für die
musikalischen Darbietungen. In seinem „Tatort Fuchsberg" stand
beispielsweise die Schweineschlacht in einem schwäbischen Dorf im
Mittelpunkt. Beim Publikum kamen die Stücke äußerst gut an und
bescherten dem Theater so viele Besucher, dass es mit ihrer Hilfe
gelang, sein Fortbestehen in Zeiten des allgemeinen Niedergangs und
der massiven Aussiedlung zu sichern - wie Horst Fassel in seinem
2011 erschienenen Buch „Das Deutsche Staatstheater Temeswar
(1953¬2003). Vom überregionalen Identitätsträger zum experimentellen
Theater" aufzeigt.
1990 siedelte Jozsi, wie Josef Jochum von allen genannt wurde, mit
seiner Frau Elisabeth nach Bayern aus, wo die Familie zunächst in
Nürnberg lebte und später dann nach Wilhermsdorf zog. Er hinterlässt
seine Ehefrau, zwei Kinder, Enkelkinder und eine Urenkeltochter. Die
Trauerfeier mit Beisetzung fand am 2. Mai auf dem Wilhermsdorfer
Friedhof statt.
Die Heimatortsgemeinschaft Knees
Nachruf
erschienen in der Banater Post Nr.10/20. Mai 2017 und auf der
Webseite der Landsmanschaft der Banater Schwaben (Siehe:
http://www.banater-schwaben.org/nachrichten/kultur/1867-in-temeswar-in-ueber-150-rollen-aufgetreten
)