Julius Vollmer

(*15.02.1927    +23.07.2014)

 

Julius Vollmer tritt von der Bühne ab, die ihm die Welt bedeutet hat.

 

Abschied von einem Vollblutschauspieler

 

 Nachruf von Johann Steiner

 

Etwas mehr als sechzig Jahre war das Theater seine Welt. Theater war sein Leben. Sein Leben war Theater. Die Bühne war seine Welt geworden. Jetzt hat sich Julius Vollmer von dieser Welt für immer verabschiedet. Der aus Temeswar stammende begnadete Charakterdarsteller - sein voller bürgerlicher Name lautet Julius-Andreas Szabó von Szathmáry - ist am 23. Juli, betreut von ihm nahe stehenden Schauspielerkollegen, in seiner Wohnung in Freiburg im Breisgau gestorben. Vollmer ist 87 Jahre alt geworden. Von einer Lungenentzündung, die Anfang Juni aufgetreten war, hat er sich nicht mehr erholt.

Julius Vollmer wurde am 15. Februar 1927 in den Temeswarer Meierhöfen als Sohn der Amalia Vogel und des Julius Szabo von Szathmary geboren. In seinen Adern floss deutsches und ungarisches Blut. Wegen seiner kritischen Haltung den kommunistischen Machthabern gegenüber wird Julius Szabo Anfang der 1950er Jahre von der Klausenburger Universität exmatrikuliert. Fast notgedrungen wird er Schauspieler. 1953 steht er zum ersten Mal auf der Bühne des Deutschen Staatstheaters in Temeswar, dessen Mitbegründer er war. Auf Anraten des Dramaturgen legt er sich später den Künstlernamen Julius Vollmer zu. Seine Theaterkarriere ist Ende der 1950er Jahre unterbrochen worden. Vollmer wurde des Theaters verwiesen und musste sich für kurze Zeit als ausgebildeter Bass dem Chor der Temeswarer Philharmonie anschließen.

In seiner Karriere hat Vollmer mehr als 200 Rollen - die Hälfte davon in Temeswar - übernommen und für seine Interpretationen manches Lob geerntet. Sein geliebtes Theater, die Bretter, die ihm das Leben bedeutet haben, hat auf den Bühnen in Temeswar, in Basel und seit 1987 in Freiburg im Breisgau gestanden. Theater hat er fast bis zu seinem Lebensende gespielt, obwohl er seit einer fehlgeschlagenen Operation im Mai 2011 blind war und zuletzt nur im Rollstuhl auf die Bühne gelangt ist. Die Erfolgsrolle seines Lebens war der Sarafanow in Alexander Wampilows Stück „Der ältere Sohn". Doch als Vollblutschauspieler hat er auch in Rollen wie der des Wirts in Johann Nepomuk Nestroys „Lumpazivagabundus" geglänzt.

2012 hat das Stadttheater Freiburg Julius Vollmers Biographie inszeniert. Mit „Liebesgrüße aus Temeswar" hat das Stadttheater eine etwas andere Premiere gefeiert. Die Theaterleute in Freiburg haben das Leben ihres Kollegen als so „exemplarisch zwischen den Diktaturen, Ideologien und Identitäten" empfunden, dass sich Regisseur Klaus Gehre und die Dramaturgin Heike Müller-Merten auf Spurensuche nach Temeswar begeben haben. Und so ist es gekommen, dass sich Julius Vollmer selbst dargestellt hat.

 

Er war der, der sich selbst gespielt hat. Er war die Rolle. „Liebesgrüße aus Temeswar" ist 14 Mal vor vollem Haus gegeben worden.

Das Theater war für Vollmer zum zweiten Zuhause geworden. „Heimat waren mir das Banat und Siebenbürgen", hat er einmal gesagt. „Hier in Deutschland sind die Bühne, die Muttersprache, mein Zuhause. Liebe zur Heimat heißt für mich dienen auf der Bühne." Die Schauspielkunst hat der gebürtige Temeswarer stets als Dienst am Mitmenschen verstanden: „Durch die unzähligen Ausfahrten durch Banater Dörfer und siebenbürgische Städte habe ich gemeinsam mit meinen Kollegen den Menschen Freude bereitet".

In Deutschland ist Vollmer mit seiner Kunst und seinem Können recht bald angekommen. 2002 hat der Freiburger Intendant Hans J. Ammann dem „Schauspieler mit dem dezenten Bass" zum 75. Geburtstag gratuliert mit den Worten: „Sie wissen, Ihre Menschlichkeit, Ihre Freundlichkeit und Gelassenheit im Umgang mit allen Kolleginnen und Kollegen sind beispielhaft. Ich freue mich, dass Sie wieder voll im Ensemble mitwirken können". Trotz neuer Kollegen, trotz der neuen Heimat: Manchmal hatte er doch noch Heimweh; nach dem Trottoir, nach dem Geruch von Asphalt, Flieder und Akazienbäumen, nach Temeswar.

Die Trauerfeier mit anschließender Beisetzung fand am 1. August auf dem Freiburger Hauptfriedhof statt.

 

 Nachruf erschienen in "Banater Post" Nr.15 vom 05. August 2014

 

Wer mehr über den Schauspieler erfahren möchte, kann bei der Landsmannschaft der Banater Schwaben Vollmers Memoiren bestellen, die in der Reihe „Banater Bibliothek" unter dem Titel „Ich bin die Rolle. Erinnerungen eines Schauspielers" erschienen sind. Bestellungen sind möglich unter Telefon 089 / 2355 730 oder E-Mail landsmannschaft@banater-schwaben.de

 

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Ein Diener des Zuschauers

 

Zum Tod des großen Schauspielers Julius Vollmer.

 

Es gibt ein ganzes Buch über ihn, auch einen Aufsatz im Jubiläumsbuch zu 100 Jahre Theater Freiburg. Und es gibt ein biographisches Theaterstück über Julius Vollmer, das das Freiburger Stadttheater 2012 mit viel Erfolg aufführte: "Liebesgrüße aus Temeswar". Vollmer hat selber darüber gesagt: "Meine Kollegen haben es als würdig empfunden, mein Leben zu thematisieren." Vielleicht, nein bestimmt war das ein Höhepunkt im Leben von Julius Vollmer, der am 15. Februar 1927 als Julius-Andreas Szabó von Szathmáry im Banat geboren wurde und jetzt nach Angaben des Theaters 87-jährig in Freiburg starb. Ein Höhepunkt in einem Leben, das auch so viele Tiefpunkte, so viel Leid und Verzweiflung kannte.

Julius Vollmer hat über sich gesagt, er sei ein "wandelndes europäisches Schicksal". Der Vater stammte aus altem ungarischen Adel aus Siebenbürgen, die Mutter aus dem Banat, die Großmutter aus dem Schwarzwald, der Großvater aus dem Elsass. Als Deutsch-Ungar war sein Leben in Temeswar vielfach bedroht, als er schließlich nicht mehr singen und Theater spielen durfte, in dem von ihm mitbegründeten Deutschen Staatstheater in Temeswar, da beantragte er die Ausreise aus Rumänien. Das Theater hat ihm die Welt bedeutet – und er betrachtete sich stets als "Diener des Zuschauers".


Im Jahr 1983 kam er nach Deutschland – und fand am Freiburger Stadttheater eine neue Familie und eine neue Heimat. Betroffen haben Kolleginnen und Kollegen jetzt auf seinen Tod reagiert. Hier stellvertretend einige Stimmen:
Heike Müller-Maertens, Dramaturgin: "Julius Vollmer war ein sehr nobler Mensch, der, trotz der Entwürdigung zweier Diktaturen, sich seine Würde nicht nehmen ließ. Er hat seinen Mitmenschen viel Liebe gegeben, die er selbst auch gebraucht hat. Er ließ es zu, dass andere Einblicke in seine Geschichten bekommen."
Ueli Schweizer, Schauspieler: "Julius Vollmer war ein unglaublich gebildeter Mensch. Mir ist erst im Laufe unserer Freundschaft bewusst geworden, welch einen großen, kulturellen Hintergrund er hat. In ,Michael Kohlhaas’ und ,Der Process’ spielte er herausragend. Julius war FC Bayern München-Fan. Wir haben die Bundesligaspiele oft gemeinsam im Radio gehört."
Ullo von Peinen, Schauspieler: "Meine letzten Begegnungen fanden vor allem bei ihm zu Hause statt. Weit über 80 war er auf Pflege angewiesen und einige Kollegen kümmerten sich regelmäßig um ihn. So besuchte auch ich ihn öfters. Und dann fragte er: ,Lieber Freund, was hast Du mir heute mitgebracht?’, womit er meinte: ,Was liest Du mir vor?’ Was auch immer ich im Gepäck hatte, die Art, wie er sich auf das gesprochene Wort konzentrierte, machte mir von Mal zu Mal größeren Eindruck. Seine Bildung, sein ungeheures Gedächtnis, seine Sensibilität der Sprache gegenüber füllten ihn in diesen Momenten ganz aus."

 Nachruf erschienen in "Badische Zeitung" vom 05. August 2014 

 

 

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Beim Abschied von Julius Vollmer

 

Das Deutsche Staatstheater Temeswar trauert um den Schauspieler JULIUS VOLLMER, der am 23. Juli 2014 in Freiburg von uns gegangen ist.

Der als Julius-Andreas Szabó von Szathmáry 1927 in Temeswar geborene Schauspieler wurde 1953 zum Gründungsmitglied der neugegründeten Temeswarer deutschen Staatsbühne, nachdem er ein angefangenes Biologiestudium abbrechen musste. Unter dem Künstlernamen Julius Vollmer wurde er schnell – auch dank seiner einprägsamen Bühnenpräsenz und seiner unverwechselbaren Bassstimme – zu einer der bekanntesten Figuren des DSTT. 

Über 100 Rollen spielte er hier, bevor er 1983 in die Bundesrepublik Deutschland ausreiste. Er wirkte in der Gründungsiszenierung Die Karlsschüler, ferner in Der eingebildete Kranke, Iphigenie auf Tauris, Faschingsrummel, Egmont, Lumpazivagabundus, Romeo und Julia, Maria Stuart, Peer Gynt, Alt-Heidelberg, Diener zweier Herren, Wilhelm Tell, Urfaust u.v.a. Seine auch gesanglichen Fähigkeiten empfohlen ihn ebenso für die Besetzung in vielen bunten Abenden und musikalischen Aufführungen des Theaters, wie Lachen ist gesund, Sonne im Herzen u.a.

Seit 1987 wirkte er am Theater Freiburg, wo er noch 2012 in der ihm gewidmeten Inszenierung Liebesgrüße aus Temeswar Episoden aus seiner eigenen Biografie spielte. 

„Ich bin immer die jeweilige Rolle. Ich träume mich in die Rolle hinein. Ich lese den Text, bis die Rolle in mein Ich eindringt, in eine jede Zelle, in eine jede Pore. Und es ist ein wundervolles Gebären, bis ich reif werde, und ich denke gar nicht mehr an die Rolle: ich bin die Rolle“ sagte noch vor wenigen Jahren der Künstler, für den seine Kunst Beruf und Berufung zugleich war.

Vollmer wurde am 1. August auf dem Hauptfiredhof in Freiburg beigesetzt. Das Ensemble des DSTT, dem Vollmer so verbunden war, spricht den Angehörigen und der gesamten Trauergemeinschaft seine aufrichtige Anteilnahme aus.

 

Erschienen auf der HP - DSTT - Nachrichten am 06.08.2014