Julius
Vollmer tritt von der Bühne ab, die ihm die Welt bedeutet hat.
Abschied
von einem Vollblutschauspieler
Nachruf
von Johann Steiner
Etwas mehr
als sechzig Jahre war das Theater seine Welt. Theater war sein
Leben. Sein Leben war Theater. Die Bühne war seine Welt
geworden. Jetzt hat sich Julius Vollmer von dieser Welt für
immer verabschiedet. Der aus Temeswar stammende begnadete
Charakterdarsteller - sein voller bürgerlicher Name lautet
Julius-Andreas Szabó
von Szathmáry
- ist am 23. Juli, betreut von ihm nahe stehenden
Schauspielerkollegen, in seiner Wohnung in Freiburg im Breisgau
gestorben. Vollmer ist 87 Jahre alt geworden. Von einer
Lungenentzündung, die Anfang Juni aufgetreten war, hat er sich
nicht mehr erholt.
Julius
Vollmer wurde am 15. Februar 1927 in den Temeswarer Meierhöfen
als Sohn der Amalia Vogel und des Julius Szabo von Szathmary
geboren. In seinen Adern floss deutsches und ungarisches Blut.
Wegen seiner kritischen Haltung den kommunistischen Machthabern
gegenüber wird Julius Szabo Anfang der 1950er Jahre von der
Klausenburger Universität exmatrikuliert. Fast notgedrungen wird
er Schauspieler. 1953 steht er zum ersten Mal auf der Bühne des
Deutschen Staatstheaters in Temeswar, dessen Mitbegründer er
war. Auf Anraten des Dramaturgen legt er sich später den
Künstlernamen Julius Vollmer zu. Seine Theaterkarriere ist Ende
der 1950er Jahre unterbrochen worden. Vollmer wurde des Theaters
verwiesen und musste sich für kurze Zeit als ausgebildeter Bass
dem Chor der Temeswarer Philharmonie anschließen.
In seiner
Karriere hat Vollmer mehr als 200 Rollen - die Hälfte davon in
Temeswar - übernommen und für seine Interpretationen manches Lob
geerntet. Sein geliebtes Theater, die Bretter, die ihm das Leben
bedeutet haben, hat auf den Bühnen in Temeswar, in Basel und
seit 1987 in Freiburg im Breisgau gestanden. Theater hat er fast
bis zu seinem Lebensende gespielt, obwohl er seit einer
fehlgeschlagenen Operation im Mai 2011 blind war und zuletzt nur
im Rollstuhl auf die Bühne gelangt ist. Die Erfolgsrolle seines
Lebens war der Sarafanow in Alexander Wampilows Stück „Der
ältere Sohn". Doch als Vollblutschauspieler hat er auch in
Rollen wie der des Wirts in Johann Nepomuk Nestroys
„Lumpazivagabundus" geglänzt.
2012 hat das
Stadttheater Freiburg Julius Vollmers Biographie inszeniert. Mit
„Liebesgrüße aus Temeswar" hat das Stadttheater eine etwas
andere Premiere gefeiert. Die Theaterleute in Freiburg haben das
Leben ihres Kollegen als so „exemplarisch zwischen den
Diktaturen, Ideologien und Identitäten" empfunden, dass sich
Regisseur Klaus Gehre und die Dramaturgin Heike Müller-Merten
auf Spurensuche nach Temeswar begeben haben. Und so ist es
gekommen, dass sich Julius Vollmer selbst dargestellt hat.
Er war der,
der sich selbst gespielt hat. Er war die Rolle. „Liebesgrüße aus
Temeswar" ist 14 Mal vor vollem Haus gegeben worden.
Das Theater
war für Vollmer zum zweiten Zuhause geworden. „Heimat waren mir
das Banat und Siebenbürgen", hat er einmal gesagt. „Hier in
Deutschland sind die Bühne, die Muttersprache, mein Zuhause.
Liebe zur Heimat heißt für mich dienen auf der Bühne." Die
Schauspielkunst hat der gebürtige Temeswarer stets als Dienst am
Mitmenschen verstanden: „Durch die unzähligen Ausfahrten durch
Banater Dörfer und siebenbürgische Städte habe ich gemeinsam mit
meinen Kollegen den Menschen Freude bereitet".
In
Deutschland ist Vollmer mit seiner Kunst und seinem Können recht
bald angekommen. 2002 hat der Freiburger Intendant Hans J.
Ammann dem „Schauspieler mit dem dezenten Bass" zum 75.
Geburtstag gratuliert mit den Worten: „Sie wissen, Ihre
Menschlichkeit, Ihre Freundlichkeit und Gelassenheit im Umgang
mit allen Kolleginnen und Kollegen sind beispielhaft. Ich freue
mich, dass Sie wieder voll im Ensemble mitwirken können". Trotz
neuer Kollegen, trotz der neuen Heimat: Manchmal hatte er doch
noch Heimweh; nach dem Trottoir, nach dem Geruch von Asphalt,
Flieder und Akazienbäumen, nach Temeswar.
Die Trauerfeier mit
anschließender Beisetzung fand am 1. August auf dem Freiburger
Hauptfriedhof statt.
Nachruf erschienen in "Banater
Post" Nr.15
vom 05. August 2014
Wer mehr über den
Schauspieler erfahren möchte, kann bei der Landsmannschaft der
Banater Schwaben Vollmers Memoiren bestellen, die in der Reihe
„Banater Bibliothek" unter dem Titel „Ich bin die Rolle.
Erinnerungen eines Schauspielers" erschienen sind. Bestellungen
sind möglich unter Telefon 089 / 2355 730 oder E-Mail
landsmannschaft@banater-schwaben.de
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Ein Diener des Zuschauers
Zum Tod des großen
Schauspielers Julius Vollmer.
Es gibt ein ganzes Buch über ihn, auch einen
Aufsatz im Jubiläumsbuch zu 100 Jahre Theater Freiburg. Und es
gibt ein biographisches Theaterstück über Julius Vollmer, das
das Freiburger Stadttheater 2012 mit viel Erfolg aufführte:
"Liebesgrüße aus Temeswar". Vollmer hat selber darüber gesagt:
"Meine Kollegen haben es als würdig empfunden, mein Leben zu
thematisieren." Vielleicht, nein bestimmt war das ein Höhepunkt
im Leben von Julius Vollmer, der am 15. Februar 1927 als
Julius-Andreas Szabó von Szathmáry im Banat geboren wurde und
jetzt nach Angaben des Theaters 87-jährig in Freiburg starb. Ein
Höhepunkt in einem Leben, das auch so viele Tiefpunkte, so viel
Leid und Verzweiflung kannte.
Julius Vollmer hat über sich gesagt, er sei ein "wandelndes
europäisches Schicksal". Der Vater stammte aus altem ungarischen
Adel aus Siebenbürgen, die Mutter aus dem Banat, die Großmutter
aus dem Schwarzwald, der Großvater aus dem Elsass. Als
Deutsch-Ungar war sein Leben in Temeswar vielfach bedroht, als
er schließlich nicht mehr singen und Theater spielen durfte, in
dem von ihm mitbegründeten Deutschen Staatstheater in Temeswar,
da beantragte er die Ausreise aus Rumänien. Das Theater hat ihm
die Welt bedeutet – und er betrachtete sich stets als "Diener
des Zuschauers".
Im Jahr 1983 kam er nach Deutschland – und fand am Freiburger
Stadttheater eine neue Familie und eine neue Heimat. Betroffen
haben Kolleginnen und Kollegen jetzt auf seinen Tod reagiert.
Hier stellvertretend einige Stimmen:
Heike Müller-Maertens, Dramaturgin: "Julius Vollmer war ein sehr
nobler Mensch, der, trotz der Entwürdigung zweier Diktaturen,
sich seine Würde nicht nehmen ließ. Er hat seinen Mitmenschen
viel Liebe gegeben, die er selbst auch gebraucht hat. Er ließ es
zu, dass andere Einblicke in seine Geschichten bekommen."
Ueli Schweizer, Schauspieler: "Julius Vollmer war ein
unglaublich gebildeter Mensch. Mir ist erst im Laufe unserer
Freundschaft bewusst geworden, welch einen großen, kulturellen
Hintergrund er hat. In ,Michael Kohlhaas’ und ,Der Process’
spielte er herausragend. Julius war FC Bayern München-Fan. Wir
haben die Bundesligaspiele oft gemeinsam im Radio gehört."
Ullo von Peinen, Schauspieler: "Meine letzten Begegnungen fanden
vor allem bei ihm zu Hause statt. Weit über 80 war er auf Pflege
angewiesen und einige Kollegen kümmerten sich regelmäßig um ihn.
So besuchte auch ich ihn öfters. Und dann fragte er: ,Lieber
Freund, was hast Du mir heute mitgebracht?’, womit er meinte:
,Was liest Du mir vor?’ Was auch immer ich im Gepäck hatte, die
Art, wie er sich auf das gesprochene Wort konzentrierte, machte
mir von Mal zu Mal größeren Eindruck. Seine Bildung, sein
ungeheures Gedächtnis, seine Sensibilität der Sprache gegenüber
füllten ihn in diesen Momenten ganz aus."
Nachruf erschienen in "Badische
Zeitung" vom 05. August 2014
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Beim Abschied von
Julius Vollmer
Das Deutsche
Staatstheater Temeswar
trauert um den Schauspieler JULIUS
VOLLMER, der am 23. Juli
2014 in Freiburg von uns
gegangen ist.
Der als
Julius-Andreas Szabó von
Szathmáry 1927 in Temeswar
geborene Schauspieler wurde
1953 zum Gründungsmitglied
der neugegründeten
Temeswarer deutschen
Staatsbühne, nachdem er ein
angefangenes Biologiestudium
abbrechen musste. Unter dem
Künstlernamen Julius Vollmer
wurde er schnell – auch dank
seiner einprägsamen
Bühnenpräsenz und seiner
unverwechselbaren Bassstimme
– zu einer der bekanntesten
Figuren des DSTT.
Über 100
Rollen spielte er hier,
bevor er 1983 in die
Bundesrepublik Deutschland
ausreiste. Er wirkte in der
Gründungsiszenierung Die
Karlsschüler, ferner in Der
eingebildete Kranke,
Iphigenie auf Tauris,
Faschingsrummel, Egmont,
Lumpazivagabundus, Romeo und
Julia, Maria Stuart, Peer
Gynt, Alt-Heidelberg, Diener
zweier Herren, Wilhelm Tell,
Urfaust u.v.a. Seine auch
gesanglichen Fähigkeiten
empfohlen ihn ebenso für die
Besetzung in vielen bunten
Abenden und musikalischen
Aufführungen des Theaters,
wie Lachen ist gesund, Sonne
im Herzen u.a.
Seit 1987
wirkte er am Theater
Freiburg, wo er noch 2012 in
der ihm gewidmeten
Inszenierung Liebesgrüße aus
Temeswar Episoden aus seiner
eigenen Biografie spielte.
„Ich bin
immer die jeweilige Rolle.
Ich träume mich in die Rolle
hinein. Ich lese den Text,
bis die Rolle in mein Ich
eindringt, in eine jede
Zelle, in eine jede Pore.
Und es ist ein wundervolles
Gebären, bis ich reif werde,
und ich denke gar nicht mehr
an die Rolle: ich bin die
Rolle“ sagte noch vor
wenigen Jahren der Künstler,
für den seine Kunst Beruf
und Berufung zugleich war.
Vollmer wurde
am 1. August auf dem
Hauptfiredhof in Freiburg
beigesetzt. Das Ensemble des
DSTT, dem Vollmer so
verbunden war, spricht den
Angehörigen und der gesamten
Trauergemeinschaft seine
aufrichtige Anteilnahme aus.
Erschienen
auf der HP - DSTT -
Nachrichten am 06.08.2014