Ottmar Strasser * 15. 11. 1905 + 22. 01. 2004
EIN STRAHLENDES LICHT UNSERER BÜHNENWELT IST ERLOSCHEN Schauspieler Ottmar Strasser gestorben Am 22. Januar verstarb in Dornstadt im Alter von 98 Jahren der im Banat und Siebenbürgen allen bekannte Schauspieler Ottmar Strasser. Nach einem langen und bewegten Leben, das geprägt war von den Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts, gönnte ihm ein gütiger Himmel ein schmerzfreies, sanftes Hinüberschlummern in eine Welt des ewigen Friedens. Ottmar Strasser wurde am 15. November 1905 in der Banater Kleinstadt Weißkirchen (heute: Bela Crkva) geboren. Der Großvater, der aus Siebenbürgen stammt, wie auch der Vater waren Offiziere beim dortigen k.u.k.Grenzregiment. Seine Mutter Elisabeth Ptach war eine Schwäbin aus Weißkirchen. Die sorgenlosen Kinderjahre enden mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Sein Lebensweg führte ihn als Theatereleven und Mitarbeiter an verschiedenen Zeitschriften nach Wien, später dann nach Brüx, Saaz, Budweis und schließlich nach Hermannstadt, wo er zunächst als Mitarbeiter an der Neppendorfer Zeitung wirkte. In Hermannstadt trat er am Stadttheater als Operettenkomiker und Schauspieler auf. Auf diese Weise fristete er seinen Lebensunterhalt. Nach seinem militärischen Pflichtdienst (1932) heiratete er Eugenie Mökesch, die ihm zwei Söhne gebar - Horst und Ottmar. Sein Sohn Horst ist allen Landsleuten gut bekannt als Regisseur und Schauspieler. Als 1933 in Hermannstadt das Deutsche Landestheater gegründet wurde, war Ottmar Strasser von Anfang an dabei. Dort begann seine große Theaterkarriere. Er wurde Ehrenmitglied des Theaters und anlässlich einer Deutschland-Tournee wurde er 1939 mit der Schiller-Plakette des Nationaltheaters Mannheim ausgezeichnet. Wie Thomas Mann sagte, machen ein Genie Talent, Fleiß, Disziplin und Charakter aus. Über diese Gaben konnte sich auch Ottmar Strasser erfreuen, und sie brachten ihm höchste berufliche Erfolge. Sie waren ihm auch nützliche Lebensbegleiter in der Zeit der Russland-Deportation der Südostdeutschen. Sie halfen ihm zu überleben „im kommunistischen Verbrecherland Stalins“ zwischen 1945 und 1949, wie Strasser in seinen Memoiren festhält. Die Bilder seiner Verschleppung und die Jahre der Zwangsarbeit haben sich tief in seine empfindsame Seele eingebrannt. So schreibt er in einer seinen Erinnerungen über jene Zeit. ,,Unser offener Lastwagen hielt vor einem Haus, aus dem ein 17-jähriges Mädchen herausgezerrt wurde. Ihre Mutter warf sich flehend vor die Soldaten und klammerte sich verzweifelt an ihre Tochter. Vergebens. Solche Dinge mit ohnmächtig geballten Fäusten tatenlos mit ansehen zu müssen, ist für einen beherzten Mann eine unbeschreibliche Qual.“ Aus der Zwangsarbeit heimgekehrt, arbeitete Ottmar Strasser zunächst im Hüttenkombinat von Hunedoara, bis er 1953 mit der Gründung des Temeswarer Deutschen Staatstheaters seinen geliebten Beruf wieder ausüben konnte. Es hätte keinen Sinn, die Zahl seiner Rollen oder die der Auftritte anzugeben. Sie würden kein vollständiges Bild seines Könnens ergeben. Sein Bühnenschaffen lässt sich mit statistischen Mitteln allein nicht umreißen. Er war nicht nur ein unverwechselbarer Komiker, sondern auch ein hervorragender Charakterdarsteller. Wer ihn auf der Bühne erlebt hat, wird heute noch seine Präzision in Mimik, Gestik und Diktion vor Augen haben. Strasser war auch ein begnadeter Texter für humoristische Vorträge, Satiren, Lieder und Humoresken, die in den berühmten „Bunten Abenden“ des Temeswarer Theaters die Zuschauer stets zu Lachsalven hinrissen. Die im Laufe der Jahre erhaltenen Auszeichnungen bestätigen die außerordentlichen Leistungen des Schauspielers umso mehr, als er sich hartnäckig weigerte, Mitglied der damals alles beherrschenden kommunistischen Partei zu werden. Seine höchsten staatlichen Auszeichnungen: „Verdienter Künstler“ (1964) und „Rumänischer Kulturorden“ (1967). Die großen Schicksalsschläge, die das Leben von Ottmar Strasser immer wieder in neue Bahnen lenkten, ließen auch in seinem Familienleben Spuren zurück. Nach der Heimkehr aus der Deportation ging die erste Ehe in Brüche. Es folgte eine zweite Ehe, die von kurzer Dauer war. Seine Frau fürs Leben wurde 1961 Annemarie Wild, die ihn liebevoll umsorgte und ihm in all den Jahren stets hilfreich zur Seite stand. Das blieb auch so, als Ottmar Strasser in den letzten Jahren in einem Pflegeheim leben musste. Die Ehefrau fand trotz ihrer Berufstätigkeit immer wieder Zeit, von Ulm nach Dornstadt zu fahren, um sich rührend um ihren Gatten zu kümmern. Ottmar Strasser lebte seit 1970 in Deutschland, nachdem er als Rentner einer Einladung nach Deutschland Folge leisten durfte und bei dieser Gelegenheit den Entschluss fasste, hier zu bleiben. Mit einem öffentlichen Hungerstreik in München erzwang er die Ausreisegenehmigung für seine Familienangehörigen. Doch auch in Deutschland war er noch mehrere Jahre als Schauspieler tätig, allein fünf Jahre am Fränkischen Theater. Die Konfrontation mit einem nicht erwarteten Zeitgeist an hiesigen Bühnen führte dazu, dass Ottmar Strasser zusammen mit seinem Sohn Horst ein kleines Wandertheater gründete, die „Strasser-Bühne“. Mit großem Erfolg wurde in verschiedenen Städten Deutschlands gespielt, zumeist vor Landsleuten aus dem Banat und Siebenbürgen. In den ersten sieben Jahren der Existenz der Temeswarer deutschen Bühne hatte ich Gelegenheit, an seiner Seite zu stehen. Ottmar Strasser war stets ein ausgezeichneter Kollege, ein guter Freund und ein tapferer „Kampfgefährte“. Die Freundschaft überdauerte glücklicherweise all die Jahre. Unvergesslich bleiben die Auftritte von Ottmar Strasser. Zweimal gastierte er auch in meinem jetzigen Wohnort Heidenheim; zuletzt mit dem modernen Stück „Boeing-Boeing“, in dem der damals 84-jährige Schauspieler frenetischen Beifall erntete. Mit zunehmendem Alter und fortschreitender Krankheit wurden die Erinnerungen an die Jahre der Zwangsarbeit immer beherrschender und bedrückender. In Gedichten und schriftlichen Erinnerungen setzt sich Ottmar Strasser mit jener Zeit auseinander. Ottmar Strasser ist für viele Banater der Inbegriff einer Begegnung mit der darstellerischen Kunst, wie man sie nicht alle Tage erleben kann. Er hat in einer schweren Zeit seinen Landsleuten viele unvergessliche Stunden beschert, Stunden der Freude und Entspannung. Dafür sind wir ihm alle dankbar, und wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. In den Herzen der Hinterbliebenen, in den Herzen der Kollegen und der zahllosen Zuschauer wird er weiterleben. Für den Menschen Ottmar Strasser geht vielleicht jenseits unserer Welt so manches in Erfüllung, wovon er hier nur träumen konnte und was er uns in einem seiner Gedichte offenbart:
Heut Nacht hat mich ein Traum beseelt, er kam auf Engelsschwingen und hat wie‘s Christkindlein geschellt, ein märchenhaftes Klingen. Es weckte ein Jugendtraum – mit Kinderaugen blick ich auf Spielzeug, Apfel, Tannenbaum und was noch einst entzückt mich. Das frohe Warten, Hoffen Bangen, - ich konnt‘s noch mal erleben. Dies reine, kindliche Verlangen, das Herzen macht erbeben! Oh Weihnachten der Kinderzeit, mit unschuldig Vertrauen! Was gäb‘ ich drum, könnt ich noch heut mit Kinderaugen schauen.
(Nachruf von Rudolf Krauser erschienen in "Banater Post" vom 5 Februar 2004)
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