Hans Linder

* 23. 06. 1930          + 31. 10. 2004 

 


PRESSEMITTEILUNG

Nr. 2532 / 08.11.2004

Tief erschüttert erfuhren wir die Nachricht über das Ableben – des ehemaligen Intendanten des Deutschen Staatstheaters Temeswar

 

HANS LINDER

 

der von 1974 bis 1983  unser Haus geleitet hat.

Linder begann seine Tätigkeit als Produktionsleiter am DSTT (ab 1967), wurde 1971 stellvertretender Direktor, und 1974 schließlich Intendant. Er studierte Germanistik und ließ sich im Bereich Theaterwissenschaften fortbilden.

Seine DSTT- Intendantur fällt mit dem achten Jahrzehnt des verstrichenen Jahrhunderts zusammen, einer der erfolgreichsten Epochen der Temeswarer deutschen Bühne. Es waren dies Jahre der künstlerischen Reife des DSTT, das viele Erfolge verzeichnete, nicht zuletzt dank dem produktiven – durch Linder äußerst effektvoll geförderten – Austausch mit Bühnen und Künstlern des deutschen Sprachraumes, vorwiegend aus der DDR. In diese Zeit fallen auch beachtenswerte Gastspielreisen des DSTT in die DDR. 

Gleichzeitig sind die Inszenierungserfolge jener Zeit nicht zu vergessen; viele von Linder verpflichtete Gastregisseure aus dem In- und Ausland trugen dazu bei. Zu erwähnen sind hier Urfaust, von Goethe, und Minna von Barnhelm, von Lessing, beide unter der Spielleitung von Otto Lang (Weimar), Die Spieldose, von Georg Kaiser, Spielleitung: Emmerich Schäffer, Bernarda Albas Haus, von Federico Garcia Lorca, Spielleitung: Niky Wolcz, Die Kassette, von Carl    Sternheim,   Spielleitung:   Peter  Förster, Was ihr wollt, von Shakespeare, Spielleitung Cristian Hadji-Culea u.a.

Linders Amtszeit endet 1983, als er in der Bundesrepublik bleibt.

Das Deutsche Staatstheater Temeswar spricht der trauernden Familie das innigste Beileid aus. 

Lucian Vărşăndan

Dramaturg

 


 

LETZTER VORHANG FÜR HANS LINDER

 

An dieser Überschrift ist leicht zu erkennen, dass Hans Linder ein Mann des Theaters war - des Deutschen Staatstheaters Temeswar. Im Jahre 1967 betrat der Siebenbürger Sachse diese Bühne. Nicht als Darsteller, wohl aber als Vorbereiter jeder Inszenierung, als der Mann, der für alles Materielle zuständig war, dessen ein gut funktionierendes Theater bedarf. Als Produktionschef war er unter anderem Beschaffer von Brettern und Latten für die einzelnen Szenenbilder, für Möbel und andere Requisiten, für die Stoffe der Theaterkostüme. Das klingt vielleicht heute etwas banal, in jener Zeit des akuten Mangels war das Bereitstellen all dieser Dinge fast ein Kunststück für sich. Er hatte es damals nicht leicht. Bis eine Premiere unter Dach und Fach war, galt es viel zu laufen und zu suchen und immer wieder neue Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Regisseur, den Bühnenbauern und dem Dramaturgen waren oberstes Gebot. Hans Linder hat dieses Gebot erfüllt und eine gute Arbeit geleistet. Sein Wirken im Theaterbetrieb war ausschlaggebend für erfolgreiche Inszenierungen.

Als Direktor Johann Szekler 1972in den Ruhestand versetzt wurde und Bruno Würz die Leitung des Theaters übernahm, wurde Hans Linder zum stellvertretenden Theaterdirektor befördert. Bereits zwei Jahre später trat Bruno Würz von seinem Posten zurück, und Hans Linder übernahm die Direktion. Dieses verantwortungsvolle Amt übte er bis 1983 aus.

Aber sehr bald, schon 1976, veränderten sich die gesellschaftlichen Bedingungen der deutschen Bevölkerung im Banat infolge des Abkommens zwischen dem damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem rumänischen Staatschef Ceausescu über die Aussiedlung der Rumäniendeutschen, Durch die einsetzende Auswanderung hatte das Deutsche Staatstheater Temeswar (DSTT) schon bald einen stetigen Rückgang des Theaterpublikums zu verzeichnen. Hinzu kamen weitere finanzielle Schwierigkeiten:

Dem Theater, das immer weniger einspielte, wurden zudem die staatlichen Subventionen merklich gekürzt. Das führte zu einer Einschränkung des gesamten Theaterbetriebs und letztendlich auch zu einer Beeinträchtigung der Einnahmen der Angestellten.

Waren es bis zu diesem Datum sechzig bis hundert Aufführungen, die eine Inszenierung verzeichnen konnte, so ging die Zahl der Darbietungen ständig zurück und erreichte nur noch dreißig bis sechzig. So manches gute Theaterstück wurde nur noch zwanzigmal aufgeführt.

Direktor Hans Linder machte eine seltsame Feststellung: Gerade die Stücke heimatlicher Autoren wie Ludwig Schwarz, Peter Rieß und Stefan Heinz-Kehrer sowie die von Josef Jochum betreuten musikalisch-humoristischen Abende kamen beim Publikum gut an und füllten die fast leeren Kassen des Theaters. Ebenso verhielt es sich mit den Märchenstücken von Grete Groß-Johann Szekler, Raimund Binder und Karin Decker.

Kritisch wurde es, als die Auswanderungswelle auch die Schau­spieler des Theaters erfasste. Fehlende Schauspieler mussten ersetzt werden. Oftmals mussten Kräfte herangezogen werden, die wenig Theatererfahrung hatten.

Diesem Kampf um das Überleben unserer Bühne stellte sich Theaterdirektor Hans Linder mit Hingabe. Auch auf dem Gebiete der Theaterwissenschaft hat er Beachtliches geleistet. Seine Ausbildung an der Philologiefakultät der Temeswarer Universität und das 1980 abgeschlossene Studium an der Hochschule für Theaterwissenschaften in Leipzig untermauerten dabei die langjährigen praktischen Erfahrungen am DSTT. Von Hans Linder stammen die Studien „Das deutschsprachige Theater in Rumänien zwischen den beiden Weltkriegen“ (Staatsexamen an der Temswarer Universität) und „Das rumäniendeutsche Theater in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Banat und das deutsche Theater in Siebenbürgen“.

Unter Linders Leitung hatte unser Theater erstmalig Verbindungen zu den Bühnen in der damaligen DDR. Eine Reihe bester Regisseure inszenierte in Temeswar, unter ihnen Otto Lang (Weimar), und Rudolf Penka. Dass das DSTT zwei** Gastspielreisen in die DDR unternahm, konnte maßgeblich auf die Mithilfe Hans Linders zurückgeführt werden. In den Jahren 1974 - 1975 holte er das Theater aus Gera zu uns ins Banal. Ebenso gelang es ihm, das Ulmer „Theater in der Westentasche“ ins Banat einzuladen; ein Ensemble, das 1978 in Temeswar auftrat. Die Kontakte mit Schauspielern und Regisseuren aus dem Ausland waren für alle ein großer Gewinn und brachten dem DSTT einen Leistungsschub.

Zu Beginn der achtziger Jahre häuften sich jedoch die Probleme beim Theater. Der Intendant des DSTT stand vor einem wachsenden Berg von Schwierigkeiten:

Versorgungsmängel, finanzielle Probleme, Schrumpfung des Publikums, Weggang von Schauspielern. Dazu kam die allgemeine Misere, in der das kommunistisch regierte Land geraten war. Ein Lichtblick konnte am Horizont nicht ausgemacht werden. Das alles bewog auch Hans Linder anlässlich eines Aufenthaltes in den Wiener Archiven, wo er nach Unterlagen zur Temeswarer Theatergeschichte suchte, nicht mehr ins Banat zurückzukehren und einen Neuanfang in Deutschland zu wagen. Ein neues Betätigungsfeld fand er in Fürth bei Nürnberg in der evangelischen Kirche.

Nach Eintritt in den Ruhestand widmete er sich mit neuer Energie dem Theater und der Literatur. Er verfasste Beiträge zur Geschichte des rumäniendeutschen Theaters, veröffentlichte in verschiedenen Publikationen, wirkte an Ausstel­lungen mit und schrieb Gedichte und Kurzprosa, die in Zeitschriften und Anthologien erschienen. 1996 gründete er zusammen mit Harald Siegmund und Erhard Linder den Buchverlag Säulenverlag in Fürth. Hier bestritt er den größten Teil der Verwaltungs- und organisatorischen Tätigkeit und fungierte als Mitherausgeber mehrerer Lyrikbände (unter anderem des Gedichtbandes „Stunden ohne Ende“, der Prosaanthologie „Grenzenlos“ und der Zeitschrift „Faszination Wort“ der Autorengruppe Franken, deren Mitbegründer er war).

Seit 2001 arbeitete er an der Geschichte der Gemeinde Wurmloch in Siebenbürgen; ein Vorhaben, dem er sich im selbstlosen Einsatz widmete und das er leider nicht mehr vollenden konnte.

Sein plötzlicher Tod kam völlig unerwartet. Sein Name bleibt eng verbunden mit der Geschichte des DSTT. Seine Leistungen werden uns stets an ihn erinnern.

 

Nachruf von Stefan Heinz-Kehrer erschienen in "Banater Post" Nr.22 vom 20. November 2004

 

* Johann Szekler wurde 1971 in den Ruhestand versetzt (Anmerkung N. Nauy)

** Das DSTT hat drei Gastspielreisen während der Direktion von Hans Linder in die DDR unternommen (Anmerkung N. Nauy)

 


 

Nachruf auf Intendant Hans Linder



Wenn im Theater die Scheinwerfer erloschen sind, wird es still im Saal und auch bei den Schauspielern. Am 31. Oktober 2004 wurde es still, ganz still. Hans Linder, zehn Jahre lang Intendant des Deutschen Staatstheaters Temeswar, hat die Bühne verlassen.
Es war dies die Bühne, die ihn geprägt hat und die er geprägt hat. Die Bühne, die er geleitet hat, zuerst als stellvertretender Intendant, dann als Intendant, sollte eigentlich zu dem werden, was man „die Bretter, die die Welt bedeuten“ nennt. Für manche war das auch so. „Der Zeit den Spiegel vorhalten“, wie es bei Shakespeare heißt.

Das Deutsche Staatstheater Temeswar (DSTT) wurde 1953 ins Leben gerufen, um den kulturellen Bedürfnissen der deutschen Bevölkerung im Banat und in Siebenbürgen entgegenzukommen. Das DSTT war übrigens die einzige selbstständige Bühne im Südosten Europas.

Die Spielstätte des DSTT befand sich in einem Haus, in dem sich vier Kulturinstitutionen die Klinke in die Hand gaben. Es war dies die Oper, das Rumänische Nationaltheater, das Ungarische Theater und das Deutsche Staatstheater. Das ist einzigartig in Europa! Diese enge Zusammengehörigkeit war äußerst produktiv für alle. Dazu hat Hans Linder viel beigetragen. Es ist unbegreiflich, wie er das lecke Schiff DSTT in einer Epoche, in der die „Zeit aus den Fugen zu gehen drohte“, durch die stürmische See immer wieder in den sicheren Hafen zu steuern wusste.

In einem Alter, wo jeder normale Sterbliche sich auf seinen Lorbeeren ausruht, versuchte es Hans Linder noch einmal. Nachdem er an der Temeswarer Fakultät Philologie absolviert hatte, studierte er Theaterwissenschaft an der Theaterhochschule Leipzig. Respekt. Das hat den bestehenden Theaterstrukturen gutgetan. Durch seine Kontakte zu Künstlerkreisen in der damaligen DDR konnte er viele Regisseure für die Arbeit in Temeswar gewinnen. Auch aus der Bundesrepublik kamen namhafte Regisseure.

Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Theaterschaffenden aus dem Inland, DDR und der Bundesrepublik, aber auch mit dem Goethe-Institut in Bukarest war die Basis, um über den Tellerrand zu blicken und Einblick in das Theaterleben auswärts zu bekommen.

Das ist Hans Linders Verdienst. Er gab in den Jahren seiner Intendanz vielen jungen Schauspielern am Deutsche Staatstheater die Plattform, sich zu verwirklichen. Die Inszenierungen bekamen neue Formen, neue Interpretationsmöglichkeiten. Dies war vor allem in der Universitätsstadt Temeswar möglich.

1982 war der Bayerische Rundfunk zu Gast in Temeswar. Die Sendung lief im selben Jahr im hiesigen Fernsehen, unter dem Titel „Sein oder Nichtsein“. Das eigentliche Thema war aber „Gehen oder Bleiben“. Die Zuschauer blieben aus, die Schauspieler zogen ’gen Westen und oft waren es die Besten. Das Problem hat sich inzwischen gelöst, und wie es sich gelöst hat, wissen wir heute. Damals zog auch Hans Linder die Konsequenzen.

Aber er war nicht nur Intendant des Deutschen Staatstheaters Temeswar, sondern auch Landsmann. Geboren am 23. Juni 1930 im siebenbürgischen Wurmloch, nahe Mediasch, zog er früh aus, um die Welt der Bühne zu erobern. Wer Wurmloch kennt, weiß um die Schönheit seiner Landschaft und die Bodenständigkeit seiner Leute. Dies hat ihn auch geprägt. In der neuen Heimat Fürth und Nürnberg versuchte Linder, zu den Wurzeln seiner Herkunft zurückzukommen. Er engagierte sich in der Kirche, war aktiv in der Heimatortsgemeinschaft Wurmloch. Seine letzte Arbeit sollte ein neuer Anfang sein. Er schrieb die Geschichte seines Heimatortes Wurmloch, konnte sie jedoch nicht vollenden. Sein Tod hat diese Arbeit jäh gestoppt.

Hier weitere Eckpunkte seines Wirkens. Auszeichnungen: 1978 „Friedrich Schiller“ Plakette, Universität Jena, 1979 „Ehrennadel in Silber“ der Bühnen der Stadt Gera. Veröffentlichungen: „Das deutsche Theater zwischen den Weltkriegen in Rumänien“ (Diplomarbeit, 1972), „Das deutsche Theater Anfang des 20. Jahrhunderts im Banat“ (in „Geschichte der Deutschen auf dem Gebiete Rumäniens“, 1985), „Das deutsche Theater in Siebenbürgen“ (in „Siebenbürgische Semesterblätter“, München, 1988), „Das rumäniendeutsche Theater in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Banat“ (in „Beiträge zur deutschen Kultur“, Freiburg, 1988), Lyrikband „Von Rosen zu Eisblumen“, Säulenverlag Fürth 1997, Gedichte und Kurzprosa in Zeitschriften und Anthologien, Mitherausgeber der Prosaanthologie „Grenzenlos“, 1997. Ausstellungen: „250 Jahre deutsches Theater im Banat“ in Nürnberg und Würzburg. Mitgliedschaften: „Lyrischer Oktober Bayreuth“, „Autorengruppe Franken“ (Mitbegründer).
Vor dieser Leistung verneige ich mich.

Mathias Pelger

Siebenbürgische Zeitung Online, 5. Dezember 2004